von Rolf App
Gerade ist noch heile Welt. Dann verschwindet ein Kind spurlos. Was ist passiert? Um diese Frage dreht sich «Die Deutschlehrerin» von Thomas Krauss nach einem Roman von Judith W. Taschler. Das Zwei-Personen-Stück feierte am Freitag im Eisenwerk Frauenfeld Premiere.
Einige Jahre ist es mit Xaver Sand stetig aufwärts gegangen. Zuerst ist eine Jugendbuch-Trilogie aus seiner Feder zum Erfolg geworden, dann hat er die Tochter eines reichen Hoteliers geheiratet und mit ihr einen Sohn bekommen. Auf ihrem prachtvollen Bauernhof samt zukunftsweisender Biogas-Anlage sind die Journalisten gern zu Gast gewesen.
Doch dann ist das Kind spurlos verschwunden – entführt vermutlich – und hat ein tiefes, schwarzes Loch in Xavers Leben gerissen. Was ist passiert? Um diese Frage dreht sich das Zwei-Personen-Stück «Die Deutschlehrerin» von Thomas Krauss nach einem Roman von Judith W. Taschler, in dem sich Susanne Odermatt und Patrick Boog im Eisenwerk Frauenfeld unter der Regie von Marcelo Diaz auf eine Achterbahn heftigster Gefühle begeben.
Der innere Aufruhr steht dabei in auffälligem Gegensatz zur Ruhe, die der äussere Rahmen ausstrahlt: Ein von Andreas Wagner auf die Bühne gestelltes, weisses Oval, das im ersten Teil Projektionsfläche manchmal idyllischer, manchmal eher trostloser Naturbilder wird, im zweiten Teil dann zur Sitzgelegenheit, dazu an den neuralgischen Punkten eingeblendete Instrumentalmusik.
Da brechen alte Wunden auf
Mit einem harmlosen Mail fängt alles an. Im Dezember 2017 erkundigt Xaver Sand sich bei einem gewissen M.K. nach der Schreibwerkstatt an ihrer Schule, für die er vom Landesschulrat Tirol engagiert worden ist. Rasch stellt sich heraus: M.K. ist eine Frau, sie heisst Mathilda Kaminski. Mehr noch: Sie ist Xavers Ex-Freundin. Die er vor sechzehn Jahren von einem Tag auf den andern verlassen hat. Sitzen gelassen ohne jede Erklärung.
Jetzt treffen sie sich wieder, schriftlich zunächst in ihrem Mailverkehr, dann zur Schreibwerkstatt selbst. Alte Wunden brechen auf, doch dann, als Xaver von der Entführung erzählt, wird der Ton weicher. Und geht bei ihrem Zusammentreffen am Rande der Schreibwerkstatt über in das, was sie früher gern gemacht haben: Geschichten erfinden. Diesmal sind es Geschichten um ein verschwundenes Kind, und nach und nach muss Xaver, dieser alte, von seiner Ex-Freundin mit grosser Energie in die Enge getriebene Feigling, gestehen, was damals wirklich geschehen ist.
Von allem Anfang an gelingt es Susanne Odermatt und Patrick Boog, als Mathilda Kaminski und Xaver Sand das Auf und Ab ihrer Beziehung, all die Hoffnung und Bitterkeit überzeugend zum Ausdruck zu bringen. Manchmal bringen sie ihr Publikum zum Schmunzeln, lassen die Ausgelassenheit des jungen Paars durchscheinen.